Geschichten aus der Vergangenheit müssen erzählt werden
Ganz Dänemark ist reich an archäologischem Erbe aus der Wikingerzeit. Doch als älteste Stadt Skandinaviens nimmt Ribe eine ganz besondere, internationale Stellung ein. Der wikingerzeitliche Handelsplatz, an dem zehntausende von Funden zutage gefördert wurden, zeugt eindrucksvoll von spezialisiertem Handwerk und vom Handel mit weiten Teilen Nordwesteuropas und Skandinaviens. Die Archäologie der Stadt belegt die Gründung um das Jahr 700 und dokumentiert die Entwicklung durch die gesamte Wikingerzeit – vom ursprünglichen Markt bis hin zu Verteidigungsanlagen und einer der ältesten Kirchen des Nordens aus der Mitte des 9. Jahrhunderts. Rund um die Stadt befinden sich zahlreiche Dörfer und Gräberfelder. Besonders der Hof bei Gl. Hviding, etwa 9 km südwestlich von Ribe und nahe dem Wattenmeer gelegen, trägt wesentlich zur Geschichte über das Leben in der Stadt und in der vorwiegend agrarisch geprägten Gesellschaft bei.
Das Ribe VikingeCenter wurde 1992 auf der Grundlage von Ribes Geschichte und den archäologischen Funden gegründet. Ziel war es, und ist es bis heute, die Lebenswelt des wikingerzeitlichen Ripa zu rekonstruieren und lebendig werden zu lassen.
Rekonstruktion und experimentelle Archäologie
Auf einem 12 Hektar großen Gelände präsentiert das Ribe VikingeCenter heute eine Vielzahl rekonstruierter Wikingermilieus, die zusammen ein nahezu vollständiges Bild des Lebens im dänischen Wikingerzeitalter von 700 bis 1000 n. Chr. zeichnen. Dieses Szenario ist einzigartig in Dänemark.
Die rekonstruierten Milieus sind:
Der Marktplatz mit dicht beieinanderliegenden Werkstattparzellen und Produktionsgebäuden (700–900).
Der Marktplatz zeigt das allererste Ribe, in dem Menschen aus nah und fern Handel trieben und Handwerker ihre Werkstätten einrichteten und sich dauerhaft niederließen.Der Hafen von Ripa (750–850). Der Hafen war ein zentrales Bindeglied zwischen der Stadt und der weiten Welt und diente als Katalysator für Ribes Entwicklung zu einer florierenden Hafenstadt. An den Landungsstegen liegen drei Boote, die groß genug waren, um Waren über den Fluss zwischen dem Hafen und den im Wattenmeer ankernden Seeschiffen zu transportieren.
Die Stadt Ripa mit Häusern, Gärten und Bohlenwegen (750–850). Die Stadt vermittelt einen lebendigen Eindruck vom urbanen Leben zur Wikingerzeit. Unter den Stadthäusern befindet sich ein Langhaus, dessen Wände mit einem 20 Meter langen Kalkgemälde verziert sind.
Die Ansgar-Kirche mit Friedhof (850–950). Die Kirche ist ein Vorschlag, wie jene Kirche ausgesehen haben könnte, deren Bau Bischof Ansgar Mitte des 9. Jahrhunderts in Ribe genehmigt wurde. Die Wände der Kirche sind mit 50 Wandgemälden im karolingischen Stil geschmückt.
Die Ringburg (10. Jahrhundert). Die Anlage befindet sich im Aufbau. Tor, Palisade und Garnisonsgebäude werden errichtet, um Bauweise und Handwerk der Ringburgen zu vermitteln.
Der Hof von Hviding mit Gebäuden, Gärten und Tieren (ca. 980). Die Hofanlage ist das Zentrum für die Vermittlung der Landwirtschaft in der Wikingerzeit.
Das Ribe VikingeCenter arbeitet mit zahlreichen Fachleuten und Institutionen aus Theorie und Praxis zusammen. So konsultieren wir beispielsweise Archäologen und erfahrene Handwerker, um bei der Planung, dem Bau und der Vermittlung unseres gemeinsamen Kulturerbes auf fundiertes Fachwissen zurückgreifen zu können. Zudem prüfen wir archäologische Theorien durch experimentelle Archäologie in den rekonstruierten Umgebungen. Wenn die daraus gewonnenen Erkenntnisse mit dem theoretischen Wissen der Wissenschaft kombiniert werden, erhalten wir ein tieferes Gesamtverständnis der Vergangenheit.
Lebendige Vermittlung
Das Ribe VikingeCenter ist keine Ausgrabungsstätte und kein Museum. Es ist ein Erlebniszentrum mit Rekonstruktionen, lebendiger Darstellung und Aktivitäten für Besucherinnen und Besucher – ein Ort, an dem man zum Mitmachen und Entdecken eingeladen wird.
Die archäologischen Spuren von Pfostenlöchern, Feuerstellen und prähistorischem Handwerk liegen tief in den Kulturschichten unter unseren Füßen – verstreut in Ribe und der umliegenden Region. Nur die wenigsten können sich anhand dieser Spuren die Gerüche und Geräusche des Familienlebens in der Halle eines Großbauern vorstellen. Oder die Schweißperlen auf der Stirn des Glasperlenmachers, der im Dunkeln bei 1100 Grad an seinem Ofen arbeitet. Oder den übersehenen Sklaven, der am härtesten schuften muss, am wenigsten isst und jede Hoffnung auf ein freies Leben aufgeben musste.
All diese Schicksale und Alltagsgeschichten werden im wikingerzeitlichen Ripa im Ribe VikingeCenter zum Leben erweckt – von Vermittlerinnen, Vermittlern und freiwilligen Darstellerinnen und Darstellern, die dem Ort Leben einhauchen. Sie alle haben ihre eigene Rolle und Stimme in der großen Erzählung und interagieren miteinander und mit den rekonstruieren Umgebungen. Wenn wir beispielsweise dem Holzhandwerker von Ripa ein Gesicht und eine persönliche Geschichte geben – mit Überlegungen, Träumen und Sorgen – schaffen wir für die Gäste einen Zugang zur Vergangenheit, der zum Nachdenken und zum Vergleich mit der Gegenwart anregt.
Die Kombination von Wissen, das durch Rekonstruktion und lebendige Darstellung vermittelt wird, ermöglicht es uns, ein breites Publikum zu erreichen.
Mitarbeitende und Freiwillige
Seit seiner Gründung übernimmt das Ribe VikingeCenter soziale Verantwortung und bietet einer vielfältigen Gruppe von Menschen einen Platz: Flexjobber, Praktikantinnen und Praktikanten, Bürgerinnen und Bürger in Arbeitsmaßnahmeprogrammen sowie junge Menschen von der Produktionsschule Lustrupholm, die später zur FGU Vest wurde. Mit dieser Einrichtung arbeiten wir auch heute noch eng zusammen. Unsere Vermittlerinnen und Vermittler haben ganz unterschiedliche Hintergründe – akademisch, pädagogisch oder handwerklich – und haben alle ein Herz fürs Erzählen.
Und dann sind da noch die Freiwilligen, rund 1000 Personen im Laufe eines Jahres. Viele von ihnen haben zuerst als Gäste ihren Weg ins Wikingeruniversum gefunden. Sie teilen die Liebe zur Geschichte, schätzen das Gemeinschaftsgefühl mit den anderen Mitwirkenden und übernehmen Verantwortung für das Zentrum.
Das Engagement der Freiwilligen ist für das Ribe VikingeCenter von unschätzbarem Wert. Sie helfen beim Bauen, bei der Herstellung von Ausrüstung, bei der Instandhaltung, der Durchführung von Veranstaltungen und bei der lebendigen Vermittlung. Insgesamt leisten sie einen riesigen Beitrag zum Betrieb des Ribe VikingeCenters und unseres 12 Hektar großen Geländes mit 25 historischen Gebäuden und drei Wikingerbooten.
Sie helfen mit, 3000 Meter Flechtzaun und rund 200 handgenähte Gewandungen mit Zubehör zu pflegen.
Die Freiwilligen wirken bei der Durchführung von zwölf großen Veranstaltungen pro Saison mit – zusätzlich zum täglichen Aktivitätsprogramm. Bauen und Instandhaltung gehören während der gesamten Sommersaison fest zur Vermittlung.
Wir engagieren uns auch aktiv für die nächste Generation freiwilliger Wikinger und bieten Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche an. Sie gehen „zum Wikinger“ im Ribe VikingeCenter.
Neue Initiativen
Das Ribe VikingeCenter ist eine gemeinnützige Stiftung mit wirtschaftlicher Ausrichtung, bei der ein eventueller Überschuss direkt in die Weiterentwicklung des Zentrums investiert wird. Es ist unser erklärtes Ziel, uns stetig weiterzuentwickeln und ein spannender, inspirierender Ort zum Besuchen und Arbeiten zu bleiben.
Deshalb bauen wir weiter, verbessern die Wikingermilieus, führen neue Aktivitäten und Veranstaltungen ein und entwickeln Bildungs- und Freizeitangebote sowie vieles mehr. Unsere Gäste und Partner sollen sehen und spüren, dass wir uns nicht auf dem Erreichten ausruhen.
Diese Weiterentwicklung ist auch entscheidend für die Motivation und Bindung unserer Mitarbeitenden und Freiwilligen. Sie ist essenziell für den Gemeinschaftsgeist, und sie hält uns alle auf Trab.